Gutes Design gewinnt an Bedeutung, denn es dient als Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerb und wird daher zur Stärkung, aber auch zum Erhalt einer Marke, immer wichtiger. Wir haben deshalb mit Christiane Nicolaus, Leiterin des Design Center Stuttgart, gesprochen. Im Interview spricht sie über die Entwicklung und Zukunft der Branche und die spannenden Herausforderungen für junge Designer.
Frau Nicolaus, das Berufsbild des Industriedesigners hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verändert. Welchen Wandel erlebte die Branche und wo steht sie heute?
Industriedesigner mussten ihr Portfolio und ihr Know-how in verschiedenste Richtungen modifizieren und erweitern. Über das Angebot des klassischen Industriedesigns hinaus, werden seitens der Kunden inzwischen z. B. Angebote in den Bereichen Innovationsmanagement und Markenberatung immer häufiger erwartet. Das ist für unseren Berufsstand eine sehr positive Entwicklung, die den Designer in die Lage versetzt, sehr früh im Produktentwicklungsprozess zu agieren und nicht unerheblichen Einfluss auf die jeweilige Marke zu nehmen.
Technisch gesehen haben sich die Bereiche der rechnergestützten Darstellung und der Animation rasant und grundlegend entwickelt. Allein die 3D-Darstellung ist inzwischen ein eigener Kompetenzbereich im Design. Diese Entwicklung hatte den klassischen Entwurfsprozess stark beeinflusst. Gleichzeitig wurde der Spielraum an Präsentations- und Darstellungsmöglichkeiten, immens vergrößert. Die Zeit- und Geldersparnis bei der Erzeugung von Varianten sind – je nach Branche – sicherlich wichtige Aspekte, aber auch Funktionsabläufe und Anwendungsmöglichkeiten lassen sich anhand von Animationen hervorragend darstellen.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Designer heute?
Ich denke, eine große Herausforderung ist nach wie vor, innerhalb übersättigter Märkte Lösungen zu schaffen, die sich durch hohe Nutzungsqualität hervortun. Hier fällt mir z.B. das Stichwort „Interface-Design“ ein. Vom Haushaltsgerät bis zur Druckmaschine, intelligente Benutzeroberflächen, die ggf. auch international verständlich sind, stellen eine besondere Herausforderung für jeden Gestalter dar. Hier verschmelzen die Disziplinen des Industrie- und des Grafikdesigns miteinander. Kooperationen und disziplinübergreifende Entwicklungsarbeit, auch unter Einbeziehung von IT-Spezialisten, sind inzwischen Normalität. Und ich bin sehr gespannt, wohin die Reise in Sachen „Rapid Prototyping“ geht. Die ständige Weiterentwicklung im Bereich der 3D-Drucker ist beachtlich.
Was kommt in Zukunft auf die Industrial-Design Branche und damit auf die angehenden Designer zu?
Für eine erfolgreiche Produkt- und Markenkommunikation auf internationalem Parkett bedarf es einer professionellen und strategischen Auseinandersetzung mit den entsprechenden internationalen Zielmärkten, den Kulturen, Lebensweisen und Bedürfnissen vor Ort. Für viele kleine und mittelständische Unternehmen aber auch für Designagenturen ist das eine ganz neue und große Herausforderung. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Produkten wird man z. B. über neue Nutzungskonzepte nachdenken und die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales noch stärker miteinander verknüpfen müssen als bisher. Beide Aspekte werden starken Einfluss auf die zukünftige Arbeit von Gestaltern haben.
Welche Bedeutung hat der Standort Stuttgart bzw. Baden-Württemberg für die Design-Branche und die Studierenden?
Baden-Württemberg ist ein sehr starker Industrie- und Wirtschaftsstandort. Viele weltweit bekannte Marken und Designagenturen kommen aus Baden-Württemberg, aber auch zahlreiche sog. „hidden champions“, Unternehmen, die dem Endverbraucher vielleicht nicht bekannt, in ihrer Branche aber absolute Spezialisten sind, haben hier ihre Wurzeln. Gesunde, designaffine Industrie und gute Gestaltung stärken sich gegenseitig und das sind die besten Voraussetzungen für Gestalter, egal ob inhouse oder mit einer eigenen Agentur. Baden-Württemberg und speziell der Großraum Stuttgart bieten für Designer vielfältige Möglichkeiten.
Steckbrief Christiane Nicolaus
Frau Nicolaus machte ihr Diplom 1991 an der Universität Kassel im Fachbereich Produktdesign mit dem Schwerpunkt Industriedesign. Bei der Firma HEWI Heinrich Wilke GmbH war sie Teil des Creativ Teams und in der Leitung der Stabstelle „Innovationen“, mit besonderem Fokus auf das Innovations-, Design- und Prozessmanagement tätig. Anschließend brachte sie ihre Fähigkeiten bei der Agentur sieger design ein und übernahm die Leitung des Industriedesign-Teams, bevor sie 2004 das Büro nicolaus innovation & design gründete. Seit Juli 2011 ist sie Leiterin des Design Center Stuttgart im Regierungspräsidium Stuttgart und zuständig für die Wirtschaftsförderung für KMU und Designer in Baden-Württemberg. Sie berät Kunden bei Designfragen und hält engen Kontakt zu Partnern aus Unternehmen, Institutionen und Verbänden. In dieser Funktion steht sie auch dem Studiengang Industrial-Design an der media Akademie – Hochschule Stuttgart beratend zu Seite.